Der Gemeine Wacholder ist ein heimischer Nadelstrauch mit langer Geschichte. Ausgrabungen deuten darauf hin, dass Wacholder bereits in der Jungsteinzeit verwendet wurde. Aufgrund seiner reinigenden und desinfizierenden Wirkung spielte er in vielen Kulturen eine wichtige Rolle. Die ältesten Verwendungsnachweise gehen auf die alten Ägypter zurück. Dort war Wacholder ein wichtiger Bestandteil der Einbalsamierungszeremonien. Bei den Kelten und Germanen wurde Wacholder bei unterschiedlichen Verdauungsbeschwerden eingesetzt. Im Mittelalter wurde Wacholder zum Schutz vor Seuchen verräuchert und konsumiert. In den damaligen Städten wurden große, rauchende Wacholderfeuer entzündet um die „Pestdämonen“ zu vertreiben.
Der Gemeine Wacholder hat etwa 300 verschiedene Trivialnamen. Die bekanntesten sind Kranewitt und Machandelbaum. Die Bezeichnung Wacholder stammt vom althochdeutschen „Wechelder“. „Wech“ bedeutet wach, munter oder frisch. „Der“ ist ein altes Wort für Baum oder Strauch. Der Wacholder ist wahrlich ein Strauch, der die Lebensgeister weckt.
Vor dem Holunder sollst du den Hut ziehen,
vor dem Wacholder niederknien.-Alte europäische Volksweisheit
Der botanische Gattungsname ist Juniperus communis. Es ist jedoch nicht ganz klar woher diese Bezeichnung stammt. Möglicherweise ist es ein Verweis auf die Göttermutter Juno. Der Artname „communis“ bedeutet gemein, gewöhnlich und deutet darauf hin, dass der Wacholder früher sehr verbreitet war. Mittlerweile ist der Wacholder in der Natur nur noch selten anzutreffen und steht in vielen Regionen unter Naturschutz.
Aussehen
Der Gemeine Wacholder ist eine immergrüne, frostharte und anspruchslose Pflanze. Er wächst meist als aufrechter oder kriechender Strauch, welcher eine Wuchshöhe von ungefähr 3 Meter erreicht. An gebirgigen Standorten bleibt er mit einer Höhe von etwa 50 Zentimeter jedoch oft wesentlich kleiner. Wacholder kann ein beachtliches Alter von 800 Jahren erreichen. Manche Exemplare werden unter günstigen Bedingungen sogar bis zu 2.000 Jahre alt.
Die spitzen Nadeln sitzen in Dreiergruppen an den Zweigen. Sie sind etwa einen Zentimeter lang und graugrün gefärbt. An der Oberseite zeigen sie einen hellen Wachsstreifen.
Der Wacholder ist zweihäusig. Dies bedeutet, eine Pflanze bildet entweder nur weibliche oder nur männliche Blüten aus. Die männlichen Blütenstände sind eiförmig, gelblich und etwa 5 Millimeter lang. Die weiblichen Blüten sind unscheinbar grünlich und bestehen aus drei Zapfenschuppen. Nach der Befruchtung verwachsen diese Schuppen und bilden die Frucht.
Die geläufige Bezeichnung Wacholderbeere ist botanisch nicht korrekt, da es sich dabei (wie bei allen Nadelgewächsen) um Zapfen, und nicht um Beeren handelt. Aufgrund der Beerenoptik hat sich dieser Begriff jedoch durchgesetzt. Die Bestäubung des Wacholders erfolgt durch den Wind. Der Befruchtungs- und Reifeprozess dauert sehr lange. Der Pollen erreicht die Samenanlage erst nach etwa 2 Monaten. Nach ungefähr einem Jahr hat sich die grüne Scheinbeere gebildet. Bis die Wacholderbeere reif ist und ihre charakteristische schwarzblaue Farbe angenommen hat, dauert es 2 bis 3 Jahre. Aufgrund der langsamen Entwicklungszeit befinden sich auf einem Wacholderstrauch fast immer unreife (grüne) und reife (schwarzblaue) Zapfen.
Volksheilkunde
Die Hautpanwendungsgebiete des Gemeinen Wacholders sind Erkrankungen bzw. Infekte der ableitenden Harnwege sowie unterschiedliche Verdauungsbeschwerden. Er wirkt harntreibend, antibakteriell, entzündungshemmend, desinfizierend sowie schmerzstillend. Generell gilt Wacholder in der Volksheilkunde Blutreinigungs- und Entfettungsmittel, da er auch den Stoffwechsel ankurbelt. Wie historisch gut belegt ist, wird er dazu verwendet das Ansteckungsrisiko bei Krankheiten zu reduzieren, und wird als Unterstützung bei Erkältungsbeschwerden eingesetzt.
Für all diese Anwendungsbereiche eignet sich ein Teeaufguss. Dazu wird ein Teelöffel Wacholderbeeren leicht zerquetscht und mit 1/4 Liter heißem Wasser übergossen. Man lässt den Tee 5 Minuten zugedeckt ziehen und seiht die Beeren danach ab. Davon trinkt man täglich bis zu 3 Tassen.
Alternativ ist die Zubereitung einer Tinktur möglich. Damit sich die Wirkstoffe gut lösen können, ist für den Ansatz 70%iger Alkohol empfehlenswert, welcher vor der Einnahme jedoch verdünnt werden muss.
Um bei Zahnfleischproblemen, Zahnschmerzen und Mundgeruch Linderung zu verschaffen, hilft das Kauen einiger Beeren. Der Hauptwirkstoff des Wacholders ist sein ätherisches Öl, das aus vielen potenten Einzelbestandteilen zusammengesetzt ist, und ihm auch den charakteristischen Geschmack verleiht.
Äußerlich findet Wacholder durch die schmerzstillende Wirkung Anwendung bei rheumatischen Beschwerden und unterschiedlichen Schmerzzuständen. Hierfür eignet sich die Herstellung eines Wacholder-Ölauszuges, welches als Massageöl genutzt werden kann oder als Basis für eine Salbenzubereitung dienen kann.
Die innerliche Anwendung von Wacholder sollte jeweils auf einen Zeitraum von 4 Wochen beschränkt werden. Bei chronischen Nierenbeschwerden und in der Schwangerschaft sollte auf die Einnahme verzichtet werden. Bei Verwendung des ätherischen Wacholderöls ist darauf zu achten es immer gut mit einem Trägeröl zu mischen, da es unverdünnt hautreizend wirken kann.
Kulinarik
Wacholderbeeren sind typischer Bestandteil der mittel- und nordeuropäischen Küche. Sie sind würzig, aromatisch und leicht süßlich. Typisch ist die Zugabe von Wacholderbeeren zu schwer verdaulichen Speisen. Dazu gehören Fleischgerichte, insbesondere Wild, und Sauerkraut. Sie sollten unmittelbar vor der Zugabe zerdrückt werden, damit sich das Aroma besonders gut entfaltet. Auch als Zugabe zu geräuchertem Fleisch oder Fisch sind die Beeren sehr beliebt, da es den Geschmack abrundet. Schon in alten überlieferten Rezepten findet man häufig den Hinweis, man solle Wacholderzweige dem Räuchergut beigeben, um den Geschmack zu verbessern.
Vergoren oder als Auszug werden Wacholderbeeren für diverse Spirituosen verwendet. Der Arzt Franciscus Sylvius mischte im 17. Jahrhundert Wacholderbeeren und Alkohol mit weiteren Kräutern zu einer Medizin, Genever genannt. Daraus entwickelte sich später der Wacholderschnaps Gin.
Im Frühjahr geerntete Triebspitzen können in kleinen Mengen als würzende Gemüsezutat zugegeben werden. In manchen Regionen wird auch die Wacholderwurzel verwendet. Ein Beispiel hierfür ist das traditionelle Ostergetränk „Lauer“ aus dem Kärntner Rosental.
Räuchern
Wacholder verströmt beim Räuchern einen aromatischen, holzigen bis harzigen Geruch. Es können alle Pflanzenteile verräuchert werden.
Der Wacholder ist eine starke Schutz- und Reinigungspflanze, welche negative Energien vertreibt und neuen Mut schenkt. Der Rauch wirkt reinigend, stärkend, belebend und vertreibt „böse Geister“ und „Krankheitsdämonen“. Eine traditionelle Anwendung ist das Ausräuchern von Krankenzimmern und Wohnbereichen. Wacholder erdet, zentriert und gibt Sicherheit und innere Stabilität. Er reinigt nicht nur die Atmosphäre und die Aura, sondern auch die eigenen Gedanken.
Darüber hinaus soll Wacholder als Tor zur Anderswelt dienen und den Kontakt mit Naturwesen und Ahnen erleichtern. Bei den Germanen galt der Wacholder als Baum des Lebens und des Todes sowie der Übergänge. Auch heute noch finden wir Wacholder auf Friedhöfen, wo er als „Wachhalter“ die Erinnerung an die verstorbenen Ahnen aufrechterhalten soll.
Wie auch der Holunder wurde Wacholder gerne als Schutz- und Wächterstrauch um das Haus gepflanzt. Man hängte Wacholder über die Stall- und Haustüren um böse Geister abzuschrecken. Vielerorts mauerte man Wacholderäste ins Fundament ein, um das Haus vor Unheil und Neidern zu schützen.
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