Oder: Der phänologische Kalender

Ich nehme euch in diesem Jahr mit auf die Reise durch die 10 Jahreszeiten. Die Gesamtheit dieser Jahreszeiten wird als der phänologische Kalender bezeichnet.

Wenn ich meinem Bekanntenkreis davon erzähle, ist die erste Reaktion darauf meist: Warum zehn? Es gibt doch nur vier Jahreszeiten? Ehrlich gesagt, war genau das auch meine erste Reaktion.

Nach kurzer Reflektion kamen mir die verwendeten Bezeichnungen dann doch sehr bekannt vor. Zumindest in unserer Region ist es nicht ungewöhnlich, umgangssprachlich vom Hochsommer oder Spätsommer zu sprechen.

Die 10 Jahreszeiten des phänologischen Kalenders sind die folgenden:

Jede Jahreszeit ist geprägt durch das Auftreten von bestimmten Pflanzen, welche als Zeigerpflanzen bezeichnet werden. Und genau diese Besonderheiten und wiederkehrenden Erscheinungen möchte ich euch in diesem Jahr näher bringen.

Im Unterschied zum gregorianischen Kalender fallen die 10 Jahreszeiten nicht immer auf das gleiche Datum. Der Beginn und das Ende jeder Phase kann jährlich, je nach natürlichen klimatischen Schwankungen und in Abhängigkeit der jeweiligen Region, auf ein anderes Datum fallen bzw. von unterschiedlicher Dauer sein. Weitere Faktoren welche darauf Einfluss nehmen sind Lage, Klima, Bodenbeschaffenheit oder die Witterung.

Phänologie

Der Begriff Phänologie stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet soviel wie „die Lehre der Erscheinungen“. Diese Teilwissenschaft der Meteorologie beschäftigt sich mit den jährlich wiederholenden Wachstums- und Entwicklungserscheinungen in der Natur. Man beobachtet und dokumentiert hauptsächlich die charakteristischen Erscheinungen von Pflanzen. Jedoch beziehen manche Beobachter auch das Verhalten von Tieren, zum Beispiel den ersten Kuckucksruf oder den ersten Sammelflug der Honigbiene, mit ein. In manchen Fällen werden sogar abiotische Faktoren betrachtet, wie beispielsweise die Nebelbildung oder das Seegefrieren.

Die Geschichte der Phänologie

Die dokumentierte Anwendung der Phänologie geht bereits über 3.000 Jahre zurück, wobei der undokumentierte Zeitraum wohl wesentlich länger ist. Weltweit nutzten Völker phänologische Beobachtungen für die Planung ihrer landwirtschaftlichen Aktivitäten, beispielsweise zur Bestimmung des optimalen Aussaat-Zeitpunktes. Auch heute wird dieses Wissen wieder vermehrt eingesetzt, zum Beispiel in der biodynamischen Landwirtschaft. Die ersten schriftlichen Aufzeichnungen stammen aus Japan aus dem Jahr 705. In diesen wurde jährlich der Zeitpunkt der Kirschblüte in Kyoto dokumentiert. Auch in Europa werden seit 1370 die Rebenerntedaten mit dokumentiert, beispielsweise im Burgund.

In der Neuzeit prägte Carl von Linné die moderne Phänologie. Im 18. Jahrhundert baute er in Schweden ein Beobachtungsnetz mit 18 Messstationen auf. Er erkannte, dass die Knospenbildung bestimmter Pflanzen, das Aufblühen, sowie die Reifung von Früchten und Samen den Eintritt verschiedener Jahreszeiten anzeigt.

Mittlerweile gibt es länderspezifische als auch europaweite Institutionen, welche sich mit phänologischen Beobachtungen beschäftigen. In Österreich ist die ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik) das führende Institut. Seit 1928 werden hier phänologische Daten gesammelt, ausgewertet und veröffentlicht.

Phänologische Beobachtungen

Jeder einzelne von uns kann ganz einfach phänologische Beobachtungen durchführen. Die einzige Voraussetzung ist regelmäßig und mit offenen Augen durch die Natur zu gehen. Sofern man sich bei der Bestimmung der Pflanzen noch nicht ganz sicher ist, ist die Verwendung eines Bestimmungsbuches sehr empfehlenswert. Dies hat natürlich auch den Vorteil, dass man auf diese Art sehr viele neue Pflanzen kennen- und bestimmen lernt.

In jeder Jahreszeit befinden sich definierte Pflanzen in einer bestimmten Wachstumsphase. Das genaue Betrachten dieser Zeigerpflanzen lässt uns erkennen in welcher Jahreszeit wir uns befinden. Je nach Pflanze und Jahreszeit werden die Knospenbildung, der Blattaustrieb, die erste Blüte, oder auch die Fruchtreife als Bestimmungskriterium herangezogen. In den meisten Fällen beobachtet man Wildpflanzen, da deren Entwicklung ohne Eingriff des Menschen erfolgt und dadurch unbeeinflusste Daten und Erkenntnisse liefert. Manchmal werden aber auch die Entwicklungsphasen von Obst und landwirtschaftlichen Nutzpflanzen in Betracht gezogen.

Nutzen

Die Verfügbarkeit von phänologischen Daten ist für viele Bereiche relevant. Die Datenbasis wird für Prognosen hinsichtlich des Pollenfluges oder für die die Erstellung von Klima- und Wettermodellen, aber auch für die Beratung von landwirtschaftlichen Betrieben betreffend Bewässerung, Düngung, Schädlingsbekämpfung und Ernteterminen benötigt. Auch Imker berufen sich auf den phänologischen Kalender um das bestmöglichen Pollen- und Nektarangebot auszunutzen.

Für mich als leidenschaftliche Kräutersammlerin ist das Verständnis der 10 Jahreszeiten wichtig. So fällt es mir leichter mich auf die Sammelaktivitäten vorzubereiten, da ich weiß wann ich welche Pflanze finden kann. Während meines Studiums war dies besonders für die Erstellung meines Herbariums wichtig, da einige Pflanzen nur eine kurze Blühdauer haben. Auch für die Organisation von Kräuterwanderungen ist dieses Wissen vorteilhaft. So kann ich mich besser darauf einstellen, welche Pflanzen ich unterwegs finden werden.

Abgesehen davon habe ich das Gefühl, dass ich einen anderen Bezug zur Flora bekommen habe. Seitdem ich mich mit dem phänologischen Kalender beschäftige, gehe ich mit viel offeneren Augen durch die Natur. Es fällt mir leichter, die Zusammenhänge zwischen den Pflanzen und deren Entwicklung zu erkennen. Außerdem kommt es mir so vor, als ob man lernt den Übergang der Jahreszeiten zu erspüren.

Ich hoffe diese Einführung in die Phänologie hat euch neugierig gemacht. Ich werde euch jede einzelne Jahreszeit und die dazugehörigen Zeigerpflanzen im Laufe des Jahres vorstellen.

Habt ihr schon einmal etwas von den 10 Jahreszeiten gehört? Oder nutzt ihr den phänologischen Kalender vielleicht sogar selbst? Ich freue mich auf eure Kommentare.


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